03 Jul

Keller à la carte

Tagelied.

Du willst dich freventlich emanzipieren
Und aufstehn wider mich mit keckem Sinn,
Ein rotes Mützlein und die Zügel führen,
Du schöne kleine Jakobinerin?

Zur Politik nun auch dein Wörtlein sagen,
Die Spindel meidend in den Ratsaal fliehn?
Wohl gar mit weißer Hand die Trommel schlagen,
Wann einst wir gegen die Tyrannen ziehn?

Berufest dich auf meine eignen Lehren
Von Freiheit, Gleichheit und von Menschenrecht?
O laß, mein Kind, mit Küssen dich bekehren,
Dies eine Mal errietest du mich schlecht!

Die Ketten all‘, von denen ich entbinden
Die Völker möchte, o Geliebte mein!
Als Blumenketten eng dir umzuwinden
Wird einzig nur mein Thun und Trachten sein.

Ich will dir einen festen Turm erbauen
Und drin ein Kämmerlein von Seide weich;
Da sollst du nur des Himmels Sterne schauen
Und mich, den Kerkermeister froh und reich!

Nie lass‘ ich dich dein langes Haar beschneiden,
Damit dein Denken um so kürzer sei;
So räch‘ ich an dem Weibe Simsons Leiden
Und bleibe ungeschoren, stark und frei!

So lang die lieben Nachtigallen schlagen,
Leb‘ ich in dir ein Stück Unendlichkeit;
Doch flieht die Nacht und wills auf Erden tagen,
Eil‘ ich für dich und mich zum Kampf der Zeit.

 

Drei Menus von Felix Schneider

Menu I

Als Vorspeise präsentieren wir für das erste Menu den Vorsatz, Kellers Tagelied naiv und ganz aus heutiger Sicht zu lesen: als Verspottung eines linken Mannes nämlich. Weiterlesen