11 Okt

Weiss, Mann, Normalo?

Normalo?

Die Kulturwissenschaftlerin Silvia Henke hat im Infosperbervom 27. September gefragt, wie treffend und erhellend die Kategorie «weisser Mann» sein könnte. Als älterer Mann kann ich zur Erörterung der Frage etwas beitragen, schon weil ich, pädagogisch gesehen, ein Fossil bin. Ich habe in Basel ein bürgerlich-elitäres, humanistisches Gymnasium besucht, das damals noch eine «reine» (!) Männerschule war. Es gab «intra muros» nur Schüler und Lehrer, und die kamen aus der weissen Schweizer Mittel- und Oberschicht. Auf die zwei, drei Sonderlinge von angepassten Unterschichtskindern war die Schule stolz. Nichtweisse gab es nicht.

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10 Okt

AUSZUSCHAFFEN!

Erfahrungen als Besucher im AusschaffungsgefängnisPerformance

Nochmals zu sehen am 11. und 12. Oktober um 20:00 Uhr in der Embassy of Emesa am Voltaplatz in Basel.

UND im Radio als Beitrag in der Sendung „Kultur kompakt“

Was befürchten Sie, wenn Sie in ein Theaterstück über Flüchtlinge gehen?
Ich befürchte: Kitsch, Peinlichkeiten – und Elendsschilderungen, die mich beschämen.

Die Performance „Auszuschaffen“ vermeidet solche Gefahren schon durch ihre karge Ästhetik. Ort des Spiels ist ein kleiner kahler Raum, ohne Bühne oder Podest, nur unvollständig gegen den Strassenlärm abgedichtet. Ausser zwei Stühlen und einem Tisch gibt es keine Requisiten. Zwei Spielende, eine junge Frau und ein junger Mann in weissen Hemden und dunklen Hosen, verkörpern keine Figuren. Ihre Bewegungen und Gesten sind streng choreographiert. Sie führen ein Gespräch: was gesagt wird, ist festgelegt. Wer von den beiden was sagt, ist offen, und muss jeden Abend unter den Spielenden im Moment ausgehandelt werden.

Texter und Regisseur Silvan Rechsteiner, 23 Jahre jung, hat im Basler Ausschaffungsgefängnis Besuche gemacht. Seine Erfarhungen dort hat er in Zusammenarbeit mit dem Dramaturgen Stephan Teuwissen zuerst in Briefe an den abzuschiebenden Hassen gegossen. Briefe, die nie abgeschickt wurden. Sie ergeben das Gerüst für die Performance, in der Rechsteiner ganz bei sich, seinen Erfahrungen, seinen Erinnerungen bleibt. Da ist z.B. die glückliche Ankunft in der Ferien- Destination nach einer Schiffsfahrt übers Mittelmeer. Land in Sicht!

[Audio: 2.1) Flugzeuge. Schönes Ankommen, 00:00:20,85]

Erinnerungen auch an eine behütete Kindheit. Fussballspiele mit dem unterdessen verschwundenen Freund Bayran. Erinnerungen an Winterabende, an Posaunenunterricht

[Audio: 5.2) Posaunenunterricht gek 2, 00:00:34,68]

Und was haben solche Erinnerungen mit Abschiebungen zu tun? Das fragen sich die Spielenden in immer wieder eingeschobenen reflexiven Passagen auch. Etwas Merkwüdiges geschieht. In den Rahmen des Themas Abschiebung gestellt, laden sich die Erinnerungen an Ferien, an Schiffe, an Flugzeuge mit Informationen und Bildern über Flucht auf. Neue Fragen entstehen: Was macht ein Abzuschiebender mit der Maxime „Motivation ist eine Eigenleistung“. Auch die Sprache wird in Mitleidenschaft gezogen. Was soll der Besuchende den Besuchten schon fragen? Wie geht es Dir?

[Audio: .17) wie geht es Dir? gek 1, 00:00:28,36]

Woran denken Sie, wenn Sie ein Flugzeug oder ein Schiff sehen? Die Performance AUSZUSCHAFFEN arbeitet der Abspaltung entgegen. Sie verknüpft die Informationen – Informationen über Flucht und Ausschaffungen – mit unseren Erfahrungen, Wahrnehmungen, Erinnerungen. Das ist eine Leistung.