22 Apr

Pfötchen geben

Die Jugendlichen von heute sind zu beneiden. Wir mussten uns noch richtig anstrengen, um unsere Lehrer zu ärgern. Ich erinnere mich an Aktionen wie die Verschiebung eines Lehrerautos auf dem Parkplatz vor der Schule.

Es gab damals ein leichtes, französisches

Auto mit Namen „Deux Chevaux“, das eine besonders weiche Federung hatte. Wenn man es an den vorderen und hinteren Stossstangen abwechselnd niederdrückte, konnte man es in so starke Schaukelbewegungen versetzen, dass es davon hüpfte. Die Aktion verlangte Ausdauer, Geschick, Kraft und Kooperation.

Heute genügt es als 15- oder 16-Jähriger, der Lehrerin die Hand nicht zu geben. Man muss allerdings das Wort „Religion“ dazu sagen.

Merke: Wann wird aus einer pubertären Rüpelei eine Staatsaffäre? Wenn’s gegen die Moslems geht.

Nachfolgetäter haben es einfach: Leg den Fuss auf den Tisch und sage: „So Moslem beten“. Rülpse einmal laut und sage: „So Allah verdauen“.

Erfolg garantiert.

Die Lehrerin, die mit so was ganz alleine und professionell fertig werden müsste, gelangt an die Schulleitung.

Diese reagiert zwar pragmatisch. Aber dann mischt sich die Öffentlichkeit ein, das Basler Blocher-Blatt hetzt, SVP und CVP wittern ihre Chance.

In Parlament und Regierung des Kantons Baselland will man tatsächlich prüfen, ob man den Zwang, Pfötchen zu geben, juristisch oder gesetzlich absichern kann. Für Frau Bundesrätin Sommaruga ist „absolut klar“: In der Schweiz herrscht Pfötchen-Zwang.

Hatten wir in der Schule noch nicht. Ein Kind gibt das Pfötchen nicht? „das geit nid. Das geit z’wiit. Das passt nid zu unserer Kultur“, sagt die Spezialdemokratin Sommaruga.

Und man muss gesehen und gehört haben, wie sie das sagt: Diese bieder rechtschaffene Empörung, dieser Brustton des gesunden Volksempfindens. Frau Sommaruga spielt das Spiel der SVP. Ihr dünkelhafter Wahn von „unserer“ Leitkultur ist totalitär.